Dota Kehr in Wien: Wir schrien uns heiser nach mehr

Gestern Abend, als Dota auf der Bühne stand und sehr viel Luft bewegte, als ich hoffte – obwohl es nichts im Tausch gibt – immer noch einen lyrischen Kuss für ein Lächeln, ein Wort für ein Wort zu erhalten, ja, als ich bei ihr war, war ich verliebt. Verliebt in Worte, in Gedichte so sternhagelschön. Noch heute Morgen, als ich zu mir kam, sah ich, überall Konfetti aus meinen Träumen regnen und wusste, ein bisschen hab ich schon von ihr gelernt.

Der Mensch ist perfekt, wenn er tut, was er gern tut. Dota – beispielsweise – dichtet gern, sage ich, ohne sie näher zu kennen. Deshalb sind ihre Worte, seit ich sie vor Monaten kennenlernte, in meinem Kopf inflationär. Ich schließe die Augen, lieg da und lausch. Ihre Wort-Kartenhäuser sind meine Übung für’s richtige Leben, wann auch immer das beginnt. Manche Zeile lässt mich glauben, ich sei mittendrin im Paradies. Dann ist alles gut und alles andre egal und mein Herz ist ohne Gewicht.

Doch so einfach macht sie es mir nicht immer. Oft habe ich über ihre Klarheit und ihre süße Härte gerätselt und gestaunt und musste verstehen: Der Kopf ist ein Gefängnis, wenn man glaubt man sieht die Wand. Ich erfuhr, die Gegenwart sei unklare Gemengelage, die Zukunft ein Knäuel von Möglichkeiten, und wollte mich daraufhin verlieren in den Maschen dieser Stadt.

Darüber reg ich mich gar nicht mehr auf. Stattdessen gehe ich durch die Türe zur Welt, die ihre Gedichte mir öffnen, in eine Welt, die offen steht zu entdecken. Darin mach ich die Augen auf und zu und finde meine Bereitschaft, in See zu stechen. Ich lass mich blenden.

Es gibt Ereignisse mit Folgen doch die meisten bleiben ohne und die interessieren uns zurecht meist nicht die Bohne. Gestern Abend, als Dota auf der Bühne war, da standen Kritiker und Publikum gespannt. Es regnete Funken durch die Kabel und Menschen durch die Zeit. Ohne jegliches Zähneklappern und Zähneknirschen fanden sich Ohrsteckermädchen und Ohrsteckerjungen, lauschten und mögen gedacht haben – so wie ich: Blöd wär nur, wenn ich jetzt die Augen schlösse und dann öffne und plötzlich wärst du gar nicht da. Dieses Ereignis war folgenschwer, denn heute schon hab ich den Stift in der Hand.

Gestern Abend, als Dota auf der Bühne sang, da mussten wir alle nicht lange auf den Sturm warten und darauf, dass es knallt. Wir alle warteten mit angeklebten, bunten Nasen auf Wind, und der Wind kam und trug uns fort, hinein in einen Kopf, in dem ein Astronaut schwerelos spazieren geht, in dem die Zeit so rasend schnell vergeht. Ein Kopf, aus dem Gedanken fließen, die zwei kleine Kinder nachts zum Singen brachten und sie glücklich machten, sei auch draußen alles flau, alles mau, alles moll.

Dann war die Zeit vergangen, denn auch Dota und ihre Freunde sind Menschen, die ein Herz haben, darin ist Blut, das bei Stillstand gerinnt. Das ist gut, das ist bei allen Leuten so. Dota und ihre Freunde sind Menschen, die müde werden nachts. Doch wir schrien uns heiser nach mehr. Wir lehnten ab, dieses Konzert zu einer Vergangenheit werden zu lassen, die nicht mehr stattfindet, denn wir waren glücklich, falls es das gibt. Aber irgendwann endet der Rausch.

So ruhte ich mich aus, machte mich auf Schlafes Reise. Dann erwachte ich, dachte zurück und glaubte endlich: ein Mysterium wird immer größer, wenn man sich entfernt. Ich dachte zurück und war froh, denn ich habe Wasser zum Trinken und Freunde zum Sehn, mit denen ich das Mysterium teilte. Und wenn sie mich fragen, ich kann nichts dazu sagen, nicht mal im Scherz. Darum lasse ich heute lieber Dota sprechen, borge mir ihre Worte aus, denn ich glaube zwar, sie zu kennen, aber ich irr mich vielleicht. Und so bleibt mir nur, mir zu wünschen, eines Tages nur ein einziges so schönes Lied zu schreiben, wie sie, doch weiß ich natürlich auch: ich muss mich nicht messen.

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